slowwaydown.com - Mit dem Moped von Hamburg nach Kapstadt

Ruanda

Nachdem ich die Piste verlassen habe und auf der Teerstraße unterwegs bin, merke ich, dass das Moped nicht gut läuft. Es kommt mal wieder nicht so richtig in die Gänge. Da es gestern noch problemlos über die Piste geflogen ist, kann es eigentlich nur an dem Benzin liegen, dass ich in Kisoro getankt habe. Viel unangenehmer als eine schwächelnde Schwalbe ist aber eine flatternde Schwalbe. Nun werde ich auch von dem gefürchteten Lenkerpendeln heimgesucht. Auf das Phänomen des flatternden Lenkers bin ich schon von vielen Schwalbefahrern hingewiesen worden. Bei ungefähr 40 km/h fängt das Vorderrad fürchterlich an zu schwingen und schaukelt das ganze Moped immer weiter auf, bis man die Kontrolle zu verlieren droht. Bisher bin ich glücklicherweise von dem Übel verschont geblieben. Aber jetzt flattert die Schwalbe gewaltig. Mit der Zeit hat man zwar den Bogen raus, den Lenker wieder einigermaßen zu beruhigen, kann aber nie eine Hand vom Lenker nehmen. Sehr unangenehm.

Langsam krieche ich die vielen Berge hoch und flatter, mit beiden Händen fest am Lenker, wieder herunter. Die Straße ist voller Fußgänger und Fahrradfahrer. So viele Menschen habe ich zuletzt in Äthiopien auf der Fahrbahn gesehen. Überall werde ich von lächelnden und freundlich winkenden Menschen begrüßt. Und bergauf fordern mich radfahrende Jugendliche zum Rennen auf. Auf der Kurzdistanz werde ich dabei meist gnadenlos versägt. Auf langen Anstiegen beweist die Schwalbe aber den längeren Atem. Nur die Radfahrer, die sich an vorbeifahrende LKW hängen, ziehen lachend an mir vorbei.

Die Straße via Ruhengeri nach Kigali ist vorbildlich ausgeschildert. Die Hauptstadt ereiche ich am frühen Nachmittag in drückender, schwüler Hitze. Wie sollte es anders sein: Auch Kigali erstreckt sich über mehrere Hügel. Schleichend drehe ich eine Runde durch die Innenstadt. Kigali ist eine moderne Stadt und kaum mit den anderen Metropolen in Ostafrika zu vergleichen. Die Stadt wirkt gepflegt, die Bushaltestellen sind mit Wartehäuschen ausgestattet, es gibt Fußwege, Fußgängerampeln und die Autofahrer halten vor den  Zebrastreifen. Überall wird an Straßen und Gebäuden gewerkelt. Die Stadt befindet sich im Aufbruch - vielleicht sogar schon ein Stück darüber hinaus.

Ein platter Hinterreifen beendet meine Sightseeingtour per Zweirad. Ich pumpe schnell den Reifen auf und begebe mich auf schnellstem Wege zu einem günstigen Guesthouse. Obwohl, so richtig günstig scheint hier gar nichts zu sein. Die Preise halten mit der Entwicklung der Stadt mit. Bereits am Abend beginne ich mit der großen Inspektion. Kigali ist von der Strecke her so ungefähr die Hälfte meiner Reise. Hier will ich mich ausgiebig um das Moped kümmern.

Im Laufe der nächsten Tage flicke ich zwei Schläuche, tausche die Vorder- und Hinterradfelgen gegeneinander aus und ziehe einen neuen Reifen auf. Den Hinterradreifen habe ich zwar erst in Khartoum gewechselt und er ist eigentlich noch recht gut. Aber was soll ich einen nagelneuen Enduroreifen mitschleppen und erst dann aufziehen, wenn ich im südlichen Afrika hauptächlich auf Asphalt unterwegs bin. Tansania hält noch ein paar Pisten für mich bereit. Danach tausche ich mal wieder den Kolben und Zylinder. Auch das ist eigentlich noch nicht nötig. Da ich aber mit der Ersatzteillieferung von AKF nach Mombasa eine weitere Kolben-Zylinder-Kombi bekommen habe, habe ich nun insgesamt drei Kombinationen und will eine mit der Post ein Stück voraus schicken, um Gewicht zu sparen. Da es aber immer sein kann, dass in der Post etwas flöten geht, will ich erst alle Kolben und Zylinder testen und dann die Schlechtesten als “Poste Restante” zum Postamt nach Livingstone in Sambia senden.

Nachdem ich die Kette und das vordere Ritzel gewchselt habe, kommen die üblichen Routinemaßnahmen. Und dann ist da ja noch das Lenkerpendeln. Ich vesuche das Hinterrad so genau, wie möglich zu zentrieren und ziehe die große Überwurfmutter am Lenker um Zehn Millimeter weiter fest. Wenn das nicht hilft, muss ich massiv Gewicht einsparen, um das Hinterrad zu entlasten. Wie ich das anstellen soll, ist mir allerdings schleierhaft. Immer wieder von langen Regenpausen unterbrochen, brauche ich drei Tage fürs Schrauben. Der neue Kolben und Zylinder besteht die Probefahrt und so bringe ich die allererste Kombination zusammen mit einem paar Bremsbacken und einigen gebrauchten Zündkerzen aufs Postamt in Kigali.

Das Päckchen bringt zwei Kilo auf die Waage. Nicht viel, aber immerhin. Die Dame auf dem Postamt findet es ein wenig merkwürdig, dass ich ein Paket an mich selber schicken will und von “Poste Restante” hat sie bisher noch nichts gehört. Kniffelig wird es dann aber, als sie mir die Briefmarken für das Päckchen aushändigt. Nur mit Mühe bringe ich alle Postwertzeichen auf dem kleinen Päckchen unter. Ich hätte mit die Verpackung sparen, und das Paket komplett in Briefmarken einwickeln können. Ein winziges Feld für die Adresse bleibt frei, ein Absender passt nicht mehr drauf. Das entspricht zwar nicht den Regularien der ruandischen Post, die Dame hat aber längst kapituliert und nimmt kopfschüttelnd die Sendung entgegen. Ob es wohl ankommt? Ich habe da so meine Zweifel. In einigen Wochen weiß ich mehr.

Am folgenden Tag besuche ich das Genocide-Memorial. Die Gedenkstätte für den Völkermord an den Tutsis und vielen unangepassten Hutus befindet sich nur wenige Kilometer vom Stadt-Zentrum entfernt. Die gleichsam bedrückende, wie beeindruckende Ausstellung zeigt den Prozess der “Entfremdung” der einstmals über jahrhunderte friedlich zusammenlebenden Volksgruppen. Mit lang angelgter Propaganda und systematischer Volksverhetzung ist die Hutu-Bevölkerung gegen die Tutsis aufgebracht worden, bis es 1994 schließlich zum Völkermord kam. Ein Muster, das man in den Büchern zur Weltgeschichte dutzende Male wiederfindet. Im zentralen Bereich der Ausstellung findet sich das Zitat von Apollon Katahizi, der fragt: “when they said ‘never again’ after the holocaust, was it meant for some people and not for others?”

Das Land scheint offensiv mit seiner Vegangenheit umzugehen. Neben mehreren Gedenkstätten errinnern überall im Land Tafeln an die Ereignisse im April 1994 und mahnen: ein Ruanda, ein Volk. Wenn man in Ruanda gefragt wird, welche Nationalität man hat, bekommt man im Laufe des Gespräches auch immer zu hören: “And I am Rwandan.”

Mit dem voll beladenen Moped mache ich mich auf dem Weg aus der Stadt. Das Lenkerpendeln ist verschwunden und die Schwalbe rollt wie auf Schienen. Jetzt kann ich endlich wieder auf dem Bock essen & trinken, Fotos schießen und in der Nase bohren. Nachdem ich mich einmal kräftig verfahre, finde ich schließlich den richtigen Weg in Richtung der tansanischen Grenze. Das Land ist auch nach Süd-Westen hin bergig, aber die Straßen sind längst nicht so steil, wie im Norden. Kurz bevor die Sonne hinter den Bergen im Westen verschwindet, ereiche ich den Grenzort an den Rusumo Wasserfällen. Ich ckecke in die einzige Herberge im Ort ein und gönne mir eine Dusche aus einem Wassereimer. Zum Abendessen gibt es einen gigantischen Teller mit scheinabr allen Resten, die die Küche hergibt. Spaghetti zusammen mit Kochbananen, Süsskartoffeln, Reis, Bohnen und und einigen Sachen, die ich nicht so recht identifizieren kann. Und oben drauf thront ein halber Hahn. Lecker, aber eine teilweise recht merkwürdige Kombination.

Bereits früh am Morgen stehe ich vor dem Zollhäuschen und fülle das Ausreiseformular aus. Über eine Brücke, die direkt über die Rusumo Falls führt, rolle ich ins Niemandsland zwischen den zwei Ländern. Fährt man hier nun auf der rechten Straßenseite, wie in Ruanda oder auf der Linken, wie in Tansania? Mir kommt niemand entgegen und vor dem tansanischen Immigrations-Office parken die Autos und LKW wild durcheinander. Für Tansania brauche ich mal wieder ein Visum. Wie in Kenia kostet es auch hier wieder 50 US-Dollar - in Greenback only. Die Bearbeitung dauert nicht sehr lange und auch das Moped ist schnell abgefertigt. Tansania beginnt, wie Ruanda aufgehört hat. Hügellig.

175. – 177. Tag
Kigali

178. Tag
Kigali – Russumo Falls



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11 Kommentare bisher, Kommentar hinterlassen?

  1. Ben Nixxon

    Verfolge Deine Fahrt schon Monate! Tolle Leistung,mein Respekt und Hochachtung!Weiterhin alles Gute!

  2. Dietmar

    Hallo Florian,

    freue mich das es dir und deiner Schwalbe gut geht, wünsche dir weiterhin eine Gute Fahrt.

    Gruß
    Dietmar

  3. Ralf

    Hey Flo,

    was sind das auf einmal für lange Pausen? Hast du kein Netz gehabt? Schöne Grüße vom “2. Platz” dein ralf

  4. basti

    Heyho Flo!
    Weiterhin gute Fahrt! Macht immer wieder Spaß deine Berichte zu verfolgen.
    Viele Grüße aus der Meise

  5. Anneke

    na endlich!! wir warten und warten…

    wenn du all diese netten essen-zutaten (wie in deinem text beschrieben) in einen kleinen plastikbeutel kippst und durchknetest, dann sparst du dir das umrühren auf dem teller oder im magen ;)
    das wäre dann ghana style!

    weiterhin gute fahrt!!
    viele grüße anneke

  6. youbloom.de

    Ruanda ist erreicht, Kapstadt nicht mehr all zu fern!
    Die Slow Way Down Soundtrack- Aktion findet nun Mitte April ihren Abschluss:
    Ein Dank geht an die teilnehmenden Künstler der swdyb-Aktion

  7. GGIR

    Hallo Florian,
    herzliche Ostergrüße aus Fulda. Wir genießen hier das fantastische Wetter und in froher Runde. Alle Teilnehmer des Treffens grüßen Dich
    herzilich und wünschen Dir weiterhin Gute Fahrt.
    Alles Gute und herzliche Grüße
    GGIR + SAR

  8. Joerg

    Hallo Florian, ich verfolge deine Reise ja nun schon recht lange. seit einigen Wochen bin ich dir hart auf den Fersen :-) ich hoffe, da ich nicht sooo viel Zeit habe wie du, dass ich dich noch einhole und wir ein gemuetliches Teechen trinken koennen.
    Gute Reise dir und viele Gruesse aus Aswan auf dem Weg in den Sudan.

  9. Vier Haffkes

    Hallo Florian,

    die herzlichsten Ostergrüsse aus dem sonnigen Isernhagen. Wir hatten schon (Berichts-)Entzug und freuen uns nun aber umso mehr, dass es Dir und der Schwalbe gut geht. Weiterhin genug Bar auf den Reifen und immer sauberen Sprit im Tank.

    Die vier Haffkes aus Isernhagen

  10. Ingo Arndt

    Hallo Flo,

    vielen Dank für Deine tollen Berichte. Ich bin seit Beginn an bei Dir und freue mich über Deine unbeschwerten Artikel. Ist ein bisserl wie “In 80 Tagen um die Welt” lesen.

    Viele liebe Grüsse von Deinem ehemaligen Arbeitskollegen aus Deiner Heimatstadt.

  11. Antje Bongers

    Hallo Florian,

    vielleicht erinnerst Du Dich noch; ich hab für den NDR einen kleinen Beitrag über Deine Abfahrt in Hamburg gemacht. Jetzt wollte ich mal schauen, wo Du steckst und was Du so erlebst. Liest sich unglaublich spannend, ich werd dran bleiben! Viel Spaß weiterhin und gute Reise!

    Antje

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