slowwaydown.com - Mit dem Moped von Hamburg nach Kapstadt

Istanbul

Schon in der Schlange an der Grenze haben sich tiefschwarze Wolken genähert. Gleich wird der Regen mal wieder meinen Weg kreuzen. Linkerhand kündigt ein Regenbogen das nasse Wetter an. Bis nach Edirne sind es von der Grenze nur wenige Kilometer. Auf den letzten Metern beginnt es zu tröpfeln. Trotzdem brennt die Sonne noch recht heiß in meinem Rücken. Als ich in einer Bank in Edirne Türkische Lira abhebe, geht ein Wolkenbruch nieder. In der Stadt checke ich in einem kleinen Hotel ein und trockne das naßgewordenen Schafsfell über der Heizung.

Am nächsten Morgen starte ich wieder unter einer dichten Wolkendecke. Bis nach Istanbul geht es auf einer breiten und vielbefahrenen Landstraße, die teilweise zwei Fahrspuren in jede Richtung hat. An einer Kreuzung nähert sich von rechts einer kleiner LKW, der eigentlich meine Vorfahrt achten muss. Er geht auch vom Gas, rollt aber weiter auf die Kreuzung. Mit einem kräftigen Dreh am Gasgriff und einem hektischen Schwenk in die Fahrbahnmitte versuche ich der drohenden Kollision auszuweichen. Das wird knapp. Ich stelle mich schon auf einen heftigen Schlag am Schwalbenhinterteil ein, der aber glücklicherweise ausbleibt. Er muss mich nur um Zentimeter verfehlt haben.

Die Fahrt führt durch weite Felder, nur unterbrochen durch kleine Städte, deren Innenstädte von der Hauptstraße aber meist umgangen werden. Auf halber Strecke nach Istanbul halte ich an der Straße, um aus dem Kanister nachzutanken. Zwei Jungs auf einem Roller kommen vorbeigerauscht und halten ein Stückchen weiter. Der Beifahrer kommt zu mir zurückgelaufen: “Problems? Help?”

Bereits 60 Kilometer vor Istanbul ist die Strecke ausgebaut, wie eine Autobahn. Der Verkehr nimmt immer mehr zu, je näher ich der Bosporus-Metropole komme. Als ich eine der zahlreichen Stadtautobahnen Istanbuls erreiche herrscht mal wieder Feierabendverkehr. Auf fünf Spuren staut sich der Verkehr auf der dreispurigen Straße. Nach einer Weile mache ich es wie die zahlreichen Motorrad- und Mopedpiloten und schlängele mich so gut es geht durch die Autoreihen. Richtig schnell geht es aber auch so nicht voran.

Da ich keinen Stadtplan von Istanbul habe, versuche ich auf den Straßenschildern irgendetwas zu entdecken, was mir bekannt vorkommt. In dem Hostel in Plovdiv habe ich eine Karte eines Hostels im Istanbuler Stadtteil Sultanahmed eingesteckt. Laut Google-Maps konnte ich den Stadtteil ziemlich zentral, südlich der Bosporusquerung ausmachen. Sultanahmed kann ich auf den Schildern nicht entdecken, aber Besiktas. Das ist mir nicht nur fußballerisch ein Begriff, sondern ich weiß auch, dass dieser Stadtteil zentral und nicht weit nördlich von Sultanahmed liegt. Als ich von der Autobahn abfahre, beginnt erst der richtige Verkehr.

Im türkischen Straßenverkehr wird ständig und immer gehupt. Anfänglich stresst einen das sehr, weil man das Hupen nordeuropäisch als so eine Art Anklage interpretiert: Du hast etwas Falsch gemacht! Reflexartig fühlt man sich gemaßregelt und nimmt eine Verteidigungshaltung ein. Sobald man aber begreift, dass das Hupen gar nicht so gemeint ist (zumindest nicht immer und ausschließlich), sondern eher vorbeugend und kommunikativ, kann man ganz entspannt damit umgehen. Nach kurzer Zeit hat man sich daran gewöhnt und ist dankbar, wenn die Fahrer ihre Manöver mit der Hupe ankündigen.

Auf dem Weg von Besiktas nach Sultanahmed entdecke ich auf der linken Seite einen Parkplatz direkt am Wasser. Hier will ich kurz mal verschnaufen. Verbotenerweise biege ich links auf den Parkplatz ab. Sofort kommt ein Polizist auf mich zu. Er interessiert sich aber nur für das eigentümliche Moped und wo es wohl ganz herkommt. Als ich nach kurzer Pause wieder weiter fahren will, sperrt er kurzerhand die Straße für mein erneutes regelwidriges Linksabbiegen.

In Sultanahmed habe ich dann die Qual der Wahl. 20-30 Hostels liegen hier dicht an dicht und überbieten sich gegenseitig mit Inklusiv-Leistungen für den Bettensucher. In Sultanahmed liegen einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Istanbuls. So locken unter Anderem die “Blaue Moschee” oder die “Hagia Sophia” Tausende von Touristen täglich ins Viertel. Ich entscheide mich für das Günstigste und beziehe eine Koje in einem 26-Bett Dorm-Room mit Blick auf die Hagia Sophia.

In Istanbul bleibe ich für ein paar Tage und schaffe es in dieser Zeit nicht, alles in Sultanahmed zu entdecken. Neben dem Sightseeing begebe ich mich auch noch auf die erstaunlich schwierige Suche nach einer Straßenkarte für die Türkei, schreibe Reiseberichte und Postkarten und entdecke die kulinarische Vielfalt der Stadt. Außerdem hole ich viel Schlaf nach und komme in den Genuss zweier geselliger Fußballfernsehabende. Die türkische Nationalmannschaft spielt in der WM-Qualifikation erst gegen Weißrussland und dann gegen Bosnien. Nach einem Besuch beim “Kuaför” verlasse ich Istanbul nach vier Tagen mit einem neuen Haarschnitt und einer frischen Rasur.

Ich will Europa über die Bosporus-Brücke verlassen. Nachdem ich die Brücke auf Meereshöhe durchfahren habe, quält sich die Schwalbe im ersten Gang die steilen Straßen zur Brückenrampe hoch. Nach drei Fehlversuchen treffe ich endlich die richtige Zufahrtsstraße und rolle in luftiger Höhe über den Bosporus nach Asien. Leider ist die Strecke über die Brücke eine autobahnartige Schnellstraße und man kann den Ausblick nicht so richtig genießen. Anhalten und Fotos machen kann man hier schon gar nicht. So rase ich auch an dem “Welcome to Asia”-Schild auf der Brücke vorbei, an dem ich doch so gerne ein Erinnerungsfoto geschossen hätte.

Asien empfängt mich dann mit einer Mautstation. Den Piktogrammen auf den Schildern nach, schließe ich, die linken Fahrspuren sind für die automatische, elektronische Maut. Demnach muss ich dann wohl rechts mein Kleingeld für die Brücke loswerden können. Aber auch rechts befindet sich an der Mautstation nur ein Schlitz im Kasten vor der roten Ampel. Bankkarten passen nicht und so stehe ich ratlos vor dem Gerät. Der Fahrer des Autos hinter mir ruft mir zu, dass ich meine “Card for Bridge” einschieben soll. Habe ich nicht. So rolle ich ohne eine Maut zu entrichten über die rote Ampel und löse beim passieren einer Lichtschranke einen lauten Alarmton aus. Ich parke das Moped hinter der Mautstation in der Annahme, nun wird ja wohl jemand kommen und der Sache nachgehen. Als auch nach 5 Minuten sich keiner für mein Vergehen interessiert, fahre ich weiter. Auf der Autobahn in Richtung Ankara lasse ich die Stadtgrenze Istanbuls hinter mir und nehme mir vor, irgendwann mal mit mehr Zeit hierher zurückzukehren, um auch den Rest dieser riesigen Stadt zu sehen.

25. Tag
Edirne - Istanbul

26. - 29. Tag
Istanbul

30. Tag
Istanbul - Adapazari



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14 Kommentare bisher, Kommentar hinterlassen?

  1. Jeani

    Klasse!!!

    Weiterhin gute Fahrt wünscht

    Jeani

  2. Björn

    Echt Klasse so ein Glück mit den Gesetz dort gehabt zuhaben :-)… freut mich zu höhren das alles gut läuft… und wünsche dir auf deiner weiteren fahrt alles gute ;-)

  3. Cengiz

    Alle Achtung, das nenne ich Abenteuerlust.

    Gute Fahrt und viel Glück auf deiner Reise.

    Cengiz

  4. basti

    Heyho Flo!

    Es war sehr schön gestern mit dir telefoniert zu haben. Freue mich, dass es dir verdammt gut geht und du so gut voran kommst ;-) Bin gespannt auf weitere Reiseberichte….
    Viele Grüße von uns 3en

  5. gunnar

    mehr geschichten!!! das ist sooo spannend! wow! weiterhin gute fahrt!

  6. broti

    Hey Florian,

    mich hat die erste Herbstgrippe gleich erwischtc und während ich hier schneifend und traufend vor mich hinglühe, freue ich mich von Dir und dem Mittelmeer zu hören! Insbesondere die Uhrzeit Deines Postings lässt auf einen beschwingten Lebensstil schließen - das freut mich! Nun hast Du es mit dem Moped also schon bis nach Asien geschafft - ich vermute, das ist schon rekordverdächtig für sich. Andererseits heisst das aber auch, Europa hinter sich gelassen zu haben. Ich glaube, das Abenteuer beginnt jetzt wirklich… und ich bin sicherlich genauso gespannt und nervös wie Du und die anderen hier! Also, auch an dieser Stelle wieder alles erdenklich Gute für Dich und die Reise, lass es Dir gutgehen, genieße es - und grüß natärlich die Syrer von mir!

  7. broti

    PS: Natürlich “schneife” ich nicht, ich schnaufe! ;-)

  8. Ralf

    Nur weiter so!!!
    Liebe Grüße von uns 4.

  9. AKF Alex

    Hallo Florian,

    wir wünschen dir alles Gute!
    Die Krümmermutter wird morgen bei dir eintreffen;)
    Wir freuen uns auf viele weitere tolle Reiseberichte von dir!

    lg alex

  10. Christina

    Hey Flo,

    Wahnsinn! Europa liegt also hinter Dir…. Weiterhin gute Fahrt und viele Abenteuer!

    Christina

  11. Marius

    Hey Florian,

    finde es Klasse was du machst! Solche Anstrengungen für deine
    Sache in kauf zu nehmen ist großartig. Deine Berichte finde ich richtig gut. Ich freu mich auf mehr spannedes von dir.

    Ich wünsche dir noch eine gute, hoffentlich regenfreie, und pannenlose Fahrt.

    Lg Marius

  12. Clemens

    Szia Florian,

    ich habe gerade den Bericht über deinen ‘Besuch’ in Budapest gelesen. Fand ich sehr unterhaltsam. Jetzt müsstest du ja auf Kontinent Nr. 2 deiner Tour bereits gelandet sein.

    Dein Artikel war übrigens in der letzten Ausgabe des Pester Lloyds abgedruckt. Ich werde ihn dir sobald als möglich schicken.

    Seit über einer Woche bin ich wieder in Frankfurt und habe direkt mein Studium wieder aufgenommen.

    Alles Gute, weiterhin eine feine Fahrt und ganz viel Rückenwind

    wünscht dein Pressesprecher aus Budapest

    Clemens

  13. JAn

    Eine echte Schwalbe. Und fast so schnell! In Szeged hätte ich dir bei einer Unterkunft weiterhelfen können ;-) Zu spät. Grüße JAn

  14. Morten

    Moin Clemens,

    Dein Artikel im Pester Lloyd ist nicht zufällig online lesbar? Wenn Doch wäre ein Link cool!

    Und Flo, pass auf Dich auf und schreib weiter, es bringt richtig Spaß Deine Artikel zu lesen. Freu mich auf Dein Buch ;-) (We don´t accept the penalty). Let it burn Baby !!

    Morten

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