slowwaydown.com - Mit dem Moped von Hamburg nach Kapstadt

Auf dem Weg nach Addis Abeba

Nach fünf Nächten auf dem Zeltplatz des Ghion-Hotels in Bahir Dar, bin ich wieder fit, um meine Reise durch Äthiopien fortzusetzen. Bis nach Addis sind es von hier aus noch ungefähr 550 Kilometer. Die Strecke ist bis in die Hauptstadt Äthiopiens durchgehend asphaltiert und ich will versuchen, es in zwei Tagen zu schaffen. Der Lake Tana liegt ziemlich tief auf 1.800 Metern und so geht es bald schon wieder steil in die Berge hinauf.

Die ersten Kilometer läuft die Schwalbe normal, aber je höher ich hinauf komme, desto weniger Durchzug entwickelt sie. Aber viel Besorgnis erregenderer ist, dass sie auf den Steigungen jetzt immer sehr heiß wird. Immer wieder stoppe ich und lasse den Motor abkühlen. Zuerst bin ich mir unsicher, ob es wirklich an der Höhe liegt. In Gonder war ich schließlich auch auf 2.500 Metern und die Schwalbe lief eigentlich normal. Oder liegt es am Öl? Heute habe ich zum erstenmal das Benzin aus dem Ersatzkanister nachgekippt, welches ausschließlich mit dem schlechten Öl aus Gedaref gemischt war. Vorher war zumindest immer noch ein kleiner Anteil besseren Öls beigemischt. Zur Sicherheit kippe ich ein bisschen des guten äthiopischen Öls nach.

Jetzt qualmt die Schwalbe ordentlich, läuft aber immer noch schlecht. Sie kommt einfach nicht in die Hufe. Kleine Steigungen überfordern schnell den dritten und viel zu schnell auch den zweiten Gang. Und auf der Geraden muss ich die Gänge voll ausfahren, um genug Schwung für den nächst Höheren zu haben. Ich versuche mich auch an der Vergasereinstellung. Aber auch das bringt nicht das gewünschte Ergebnis.

Ein wenig frustriert schleiche ich mit der Schwalbe durch die Landschaft. Aber wenigstens die ist erfreulich abwechselungsreich. Es geht vorbei an Feldern, kleinen Bergketten mit grünen, weitläufigen Tälern und immer mal wieder durch kurze Abschnitte dichten Buschs. Am Straßenrand stehen immer wieder Wracks alter, rostiger Panzer - die Überbleibsel unruhigerer Zeiten in Äthiopien. Und auf der Straße immer wieder viele, viele Menschen. Überwiegend sind sie zu Fuß auf der Fahrbahn unterwegs. Äthiopien hat offiziell 73 Millionen Einwohner, inoffiziell sind es aber wohl eher 80 Millionen. Mir kommt es so vor, als wohne die gesamte Bevölkerung direkt an den wenigen Straßen. (Was ja durchaus auch Sinn ergeben würde.) Sobald man irgendwo anhält, sind sofort Menschen um einen herum. Ein Gespräch entsteht dabei, aufgrund der Sprachbarriere selten. Sobald Kinder dabei sind, läuft es in den meisten Fällen auf “Youyouyou, money” hinaus. Die Mehrheit der Fahrzeuge auf den Straßen sind LKW oder Government- und NGO-Land Cruiser. Aber mit Abstand am häufigsten sind Mini-Busse unterwegs - wenn sie nicht gerade kopfüber im Straßengraben liegen. Auch hier beobachte ich wieder viele Unfälle der kleinen Busse.

Eigentlich hatte ich gehofft, heute viele Kilometer zu schaffen, und die “Blue Nile Gorge” hinter mir lassen zu können. Aber mit der schwächelnden Schwalbe unterm Hintern ist daran nicht zu denken. Ich revidiere mein Tageziel und lege Debre Markos als neues Etappenende fest. Schnell merke ich, dass aber auch dies eng wird. Ich halte jetzt nur noch einmal zum Nachtanken und fahre den Rest der Strecke durch. Trotzdem komme ich 20 Kilometer vor Debre Markos in die Dunkelheit. Und das ist wirklich unangenehm. Es sind jetzt zwar nicht mehr so viele Fußgänger und Tiere auf der Straße, aber die, die unterwegs sind, sind unbeleuchtet und man sieht sie erst im allerletzten Moment. Mit den Fahrzeugen ist es nicht besser. Die Fahrer machen ihr Licht erst an, nachdem es wirklich stockdunkel ist. Vorher sind auch sie immer nur schlecht zu erkennen. Und dann die tiefen Schlaglöcher … . Ziemlich gestresst von dieser ungeplanten “Nachtfahrt” komme ich in Debre Markos an.

Das Hotel, dass mir in Bahir Dar empfohlen wurde, ist leider ausgebucht und ich kreuze noch ein wenig durch die Stadt auf der Suche nach einer Alternative. Ich werde schnell fündig und die Herberge erweist sich als günstige und nette Absteige mit vielen freundlichen und ausschließlich einheimischen Gästen. In der Hotel-Kneipe gibt es die obligatorische Injera (Sauerteigfladen) mit Hammelfleisch. Am nächsten morgen setze ich mich noch vor dem Frühstück ans Moped. Als ich eine kleine Probefahrt machen will, um dabei den Vergaser einzustellen, läuft die Schwalbe fast wie in alten Tagen. Nach dem Motto “never change a winning team” lasse ich die Finger vom Vergaser und gehe Frühstücken. Es gibt Injera mit Thunfisch.

In ungewohnt gewohnter Geschwindigkeit setze ich meinen Weg nach einer Tasse äthiopischen Kaffees fort. Aber nur wenige Kilometer später die alte Leier. Der Motor wird heiß und verliert die Lust an der Leistung. Ich ärgere mich, mir nicht die Zeit für das ordentliche Einstellen des Vergasers genommen zu haben. Manchmal ist es vielleicht doch besser man stellt die Mannschaft um, auch wenn man mit 1:0 in Führung liegt… .

Wieder sitze ich ein wenig frustriert auf dem Bock und tuckere langsam dahin. Eine angenehme Abwechselung bietet die “Blue Nile Gorge”. Ein tiefer Canyon, geschnitten vom Blauen Nil auf seinem geschwungenen Weg vom Lake Tana in Richtung Sudan. Zum einen ist es ein landschaftliches Highlight und zum anderen geht es in Serpentinen 16 Kilometer steil bergab. Im Leerlauf rase ich benzinsparend und Motor-Hitze reduzierend in die Schlucht hinein. Für den Aufstieg auf der andere Seite benötige ich dann über eine Stunde. Auf den letzten Serpentinen auf dem Weg nach oben, gerät die Schwalbe dann erstmals richtig an ihre Leistungsgrenze. Eine Mischung aus extremer Steigung und leistungsgehemmtem Motor lässt die Schwalbe auch im ersten Gang nicht mehr vorwärts kommen. Mit schleifender Kupplung und mit den Füßen vom Boden abstoßend, schaffe ich mit Ach und Krach die letzen Haarnadelkurven.

Am späten Nachmittag erreiche ich den kleinen Ort Fiche, ungefaehr 100 Kilometer vor Addis. Ich checke in ein gerade erst eröffnetes, sehr modernes Hotel ein und genieße die heiße Dusche. Den nächsten Morgen beginne ich mal wieder mit dem Schraubenzieher in der Hand. Ich probiere verschiedene Einstellungen am Vergaser, erreiche damit aber kein so richtig zufriedenstellendes Ergebnis. Bis 13 Uhr gebe ich mir Zeit, den Fehler zu finden. Dann muss ich spätestens aufbrechen, um auch mit schlecht laufender Schwalbe noch bei Tagelicht Addis zu erreichen.

Nach der üblichen Wartungsorgie entschließe ich mich Kolben und Zylinder zu wechseln. Mein Ersatz Kolben/Zylinder-Paar ist eigentlich das Original-Paar. Das Ersatz-Set ist bereits in der Mechaniker-Schule in Tschechien in den Motor gewandert. Nachdem dort ein Kolbenring zerbrochen ist, hat der Kolben mit dem Ersatzring immer unangenehme Schleifgeräusche produziert. Aufgrund mangelnder Ersatzringe, war es damals das Einfachste, die ganze Kombi zu tauschen. In Budapest habe ich dann Ersatzringe gekauft und will diese jetzt mit dem alten Kolben/Zylinder ausprobieren.

Das Ergebnis ist leider ähnlich ernuechternd , wie damals in Tschechien. Der Kolben schleift und “knarzt” dabei sogar ein wenig. Inzwischen ist es aber auch schon 13 Uhr und ich stecke lieber in Addis mit Motorproblemen fest, als hier in diesem kleinen Nest. Außerdem erzählt mir einer der Hotelangestellten, dass es bis nach Addis jetzt nur noch bergab geht. Möglicherweise meinte der das aber im übertragenen Sinne. Denn die Strecke bleibt bergig wie zuvor. Die wenigen Höhenmeter, die es zwischendurch bergab geht, geht es anschließend auch wieder bergauf. Zwar nicht steil, aber steil genug, um die gehandicapte Schwalbe in den ersten Gang zu zwingen.

Völlig gerädert ereiche ich das Taitu-Hotel in Addis. Das älteste Hotel der Stadt wurde mir als Treffpunkt zahlreicher Trans-Afrika reisender empfohlen. Heute bin ich aber der einzige Gast, der mit eigenem Fahrzeug angereist ist. Das Hotel selbst ist in einem eher schlechten Zustand. Ich entschließe mich für eine Nacht zu bleiben und mir dann etwas anderes zu Suchen. Abends treffe ich Molalign wieder, der hier in Addis einige Formalitäten erledigen muss und wir gehen Pizza essen.

Am nächsten morgen checke ich meine E-Mails und suche nach einer anderen Übernachtungsmöglichkeit. Dabei fällt mir ein, dass mir eine Holländerin, die ich in Ägypten auf dem Sinai getroffen habe, ein nettes kleines Guesthouse empfohlen hat. Per Google habe ich schnell die Telefonnummer und reserviere ein Bett. Das Guesthouse heißt “Mr Martins Cozy Place” und ist tatsächlich klein und gemütlich. Auf der Kaffeemaschine an der Freiluftbar klebt ein Aufkleber des FC St. Pauli und die Maschine produziert leckeren Kaffee in bechergröße. Hier fühle ich mich wohl. Das Moped kann direkt vor meinem Zimmer parken und es ist auch ausreichend Platz zum Schrauben. Das Guesthouse ist über die nahenden Weihnachts- und Silvestertage restlos ausgebucht und die ständig wechselnde Gästeschar besteht ausnahmslos aus netten und interessanten Menschen.

Nach einem Mopedfreien Tag widme ich mich wieder der Schwalbe. Der neue alte Kolben/Zylinder muss wieder runter und der alte Neue mit neuen Kolbenringen versehen werden. Außerdem reinige ich gründlich den Vergaser und die ganze Luftversorgung, prüfe die Kurbelwelle auf Spiel und nehme das Nadellager unter die Lupe. Soweit alles im Toleranzbereich. Als ich alles wieder zusammensetze, verabschiedet sich das Gewinde an einem der Stehbolzen des Zylinders. Die Mutter zieht nicht mehr fest an, lässt sich aber auch nicht mehr rausdrehen. Mit meinem Werkzeug bin ich jetzt mal wieder am Ende.

96. Tag
Bahir Dar - Debre Markos

97. Tag
Debre Markos - Fiche

98. Tag
Fiche - Addis

99. Tag -
Addis

(Ehlich gesagt, weiß ich nicht so genau, ob das mit der Zählerrei der Tage überhaupt noch stimmt. Ich mache aber einfach mal damit weiter… .)



RSS Feed Abonnieren
 
« Über Gonder zum Lake Tana

Weihnachten in Addis – Silvester in Moyale/Kenia »

 
 

10 Kommentare bisher, Kommentar hinterlassen?

  1. philli

    vom 15.9 bis heute sinds schon schwalbige 118 tage.
    steffis und meine zweite kerze ist bereits am start und brennt jeden abend im fenster. möge der heilige christopherus dir weiterhin ein schützender weggefährte sein.
    und wie wärs mal mit einem video!?ich denke da an einen satten schwalbe- evilkenivel-flowslow- jump übern berggorilla?
    hey flo keep on truckin…
    dein philli

  2. Basti

    Heyho Flo!

    Ich bin mit deiner Reisetag- Zählung einverstanden ;-)
    Es ist ja schließlich die Sache, um die es geht!

    Ein dickes Dankeschön geht an dieser Stelle an den Wüstenritt von Christoph & Gideon und ihre Tourbegleiter für ihre Solidarität mit dem Slow Way Down im Rennen um den Amazee Bucket 2008.
    Gemeinsam für die Menschen in Uganda !

  3. Dieter

    wünsche Dir viel Erfolg bei der Stehbolzenreparatur.
    Gruß
    Dieter

  4. Klaus Bodendieck

    Hallo Flo,
    ich lese regelmäßig deine Berichte und freue mich, dass du so gut vorankommst. Was das kleine Moped so leisten kann ist doch erstaunlich. Habe mir aus Interesse mal das Buch “Long way round” durchgelesen. Ich denke allerdings das deine Reise, - so auf dich alleine gestellt - schon eine andere Kategorie ist. Wenn du möchtest, kann ich dir noch Adressen in Uganda, die du anlaufen könntest.

    Ich wünsche dir weiter viel Glück.
    Gruß
    aus dem verschneiten Norden
    Klaus

  5. Peter

    Hallo Flo,

    schön, dass mit deiner Gefährtin schon so weit gekommen bist. Das mit den Kolberingen ist ein Problem, welches sich einfach lösen lässt. Hier eine kleine Anleitung:

    Kolbenring nehmen und versuchen ihn in den Zylinder einzusetzen. Die flachen Enden sollten Stoß an Stoß sitzen, mit einen winzigen Spiel. Ist dies nicht der Fall müssen sie mit einer kleinen Feile gestutzt werden und vorsichtig sein, die Dinger brechen wie Glas. Dann wieder einsetzen und schauen ob es passt. Nun noch die Ringe auf den Kolben und ab in den Zylinder.
    Also weiterhin viel Erfolg und möge die Schwalbe dich sicher bis ans Kap tragen!
    Viele Grüße aus Rostock!

    Peter

  6. Ben

    Funk.

    Bei der TS 150 wars beides, also Buchse und Kolbenringe. Kein Klemmer vorher sondern eher schleichender Leistungsverlust. Passt auch zum Thermoproblem, solche mofas kriegste auch schlechter an wenn sie warm sind. anyway, zylinder und kolbenringe auf einmal wechseln klingt nicht verkehrt. Wenn sie denn nicht schleifen.. UP.Service und `Neu´-teile? Grüße, Ben

  7. Averell

    Moin Flo,
    jetzt reise ich in Gedanken schon seit fast 3 Monaten mit dir, immer ein wenig hoffnungsvoll dass dir kein “richtiger” Motorschaden entstehen wird. Naja jetzt haste zwar ein wenig Pech, aber als Fahrer von diversen Schwalben und ´nem chinesischen Gespann schließe ich mich der Meinung von Ben und Peter an wobei ich Ben´s Neuteile-Idee bevorzuge. Ansonsten stimme ich deinem Schnack aus Debre Markos zu nur um ihn mit der Variante “never change a running system” zu erweitern: einen Vergaser, den du gut eingestellt hattest, solltest du reinigen und dann so lassen wie er ist: gut.
    Ich denke, dass sich deine Motorprobleme bald lösen lassen und wünsche dir gute Begegnungen.
    Averell

  8. Broti

    Wow… diese Photos aus Äthiopien…

  9. radrik

    AUSPUFF VERRUßT? Dann fehlt der Durchzug wenn heiß.

    Bei meiner Schwalbe war es so. Unterwegs habe ich das Endstück abgemacht, den Einsatz rausgenommen und die dortigen dünnen Röhrchen waren vestopft von ca 12mm auf 2mm. Der Motor verlor warm an Leistung und ging später aus. Nach dem abkühlen wieder ok, bis er wieder warm war.

    Ausgestochert mit Schraubenzieher und passende Nuß durchgekloppt - alles wieder ok. Den Einsatz aber drin lassen, sonst fährt Sie langsamer und verliert Drehmoment. Notersatz, Coladose mit paar Löchern.

    Hoffe das wäre die Lösung für die muckende Schwalbe.

    Ich wäre auch gerne jetzt in einem wärmeren Land. Berlin hatte letztlich - 17,5° =8-o

    Alles Gute für euch beide wünsch ich.

  1. 50hz - Werkstatt für Netzkommunikation » Blogarchiv » Slow Way Down: Auf einer Schwalbe unterwegs gegen AIDS - Jan 12th, 2009

Kommentar hinterlassen zu “Auf dem Weg nach Addis Abeba”

Helfen mit Plan

Ein CD4-Analysegerät für Mukujju

Kurz Updates

via Twitter